XS1100 (2H9) Speichenradprojekt

Moderator: Peter

JRMaier
Beiträge: 13
Registriert: Di 1. Dez 2015, 09:36
Wohnort: Tauberbischofsheim

XS1100 (2H9) Speichenradprojekt

Beitrag von JRMaier »

Projekt-Tagebuch Speichenräder XS 1100

Irgendwann 2010 entdeckte ich im XS1100-Forum Bilder einer XS1100, die mit Speichenräder ausgerüstet war. Speichenrad-Umbauten kannte ich schon aus anderen Foren und für die XS hat mir das sofort super gefallen. Also begann ich in diese Richtung zu recherchieren. Auf eine Anfrage im Forum, ob damit schon jemand Erfahrung gemacht hat, bekam ich vom User Frank Antwort, dass sich für den Umbau sehr gut GoldWing-Räder eignen würden. Nach einigem Hin und Her kaufte ich kurz entschlossen für günstiges Geld einen Speichenradsatz der GL1000 und besuchte Frank, um das ganze mal auszuprobieren.

Leider ergab die Montage- und Mess-Session dass zum Anpassen der GL1000-Naben erhebliche Anpassungsarbeiten vonnöten waren. Teilweise hätte man das Material im Bereich des Kardanmitnehmers so stark schwächen müssen, das ich mich dabei nicht mehr wohlgefühlt hätte. Dem zu folge legte ich das Thema erstmal zu den Akten. Aber irgendwie ließ mich der Gedanke an (Draht-) Speichenräder an der XS nicht mehr in Ruhe! Ich wusste ja mittlerweile, dass es früher von der Firma WIWO eine Hinterradnabe für die XS gegeben hat, aber WIWO war schon lange Pleite und deren Konstruktionspläne nicht zu bekommen.

Im Sommer 2011 bekam ich über das XS1100-Forum Kontakt zu Math, der mir dann einen WIWO-Nabensatz anbot, der seiner Meinung nach auch in die XS1100 passt. Nach einigem Hin- und Her habe ich zugeschlagen, nachdem wir uns über den Preis einig geworden sind. Leider waren die Naben viel zu breit für die XS und wie es sich herausstellte, sind es wahrscheinlich WIWO-Naben für die alte Vmax. So war ich erstmal natürlich sehr enttäuscht, schlug aber Maths Angebot aus, die Naben zurückzunehmen. Ein Glück, wie sich später herausstellte. Letztendlich manifestierte sich in mir die Ansicht, dass ich wohl eine Hinterrad-Nabe selber konstruieren und fertigen lassen musste, wenn ich mir meinen Traum einer „Speichen-XS“ erfüllen wollte.

Ich weiß auch nicht, was mich im November 2013 dazu bewogen hat, das Projekt jetzt doch anzugehen. Zuerst schoss ich für kleines Geld ein Hinterrad der 2H9 und zerlegte es in die Einzelteile. Also Simmerringe und Lager raus sowie den Kardanmitnehmer demontiert. Diesen „Rohbau“ konnte ich erstmal vermessen, denn diese Maße mussten auf jeden Fall 1:1 in eine Drahtspeichennabe übernommen werden. Das Ganze floss dann in eine 2D-CAD-Zeichnung der XS-Originalfelge ein, die ab da die Basis für das weitere Projekt bildete.

Bild
2D-Zeichnung XS1100 Hinterrad

Da die Innenkontur der Nabe durch das Originalrad vorgegeben war, musste man jetzt also „nur noch“ eine Speichenrad-Außenkontur darüber legen. Hierbei konnte ich jetzt die GoldWing-Nabe und die Vmax-WIWO-Nabe als Vorlage nutzen. Schließlich hatte ich noch nie eine Speichennabe konstruiert! Nach einigen Tagen und Versuchen war es dann soweit. Der erste Entwurf der Nabe war fertig. Ich hatte mich dann doch grundsätzlich für das Design der WIWO-Nabe entschieden, weil es erheblich eleganter und nicht so wuchtig wie die GoldWing-Nabe wirkte. Meine Schwester, der eigentliche CAD-Profi der Familie, setzte mir den Entwurf dann in eine 3D-Zeichnung um. Damit war der erste Schritt gemacht.

Bild
Bild
3D-Entwürfe XS1100 Hinterrad-Speichennabe

Durch einen absoluten Zufall konnte ich zeitgleich eine GS750-Drahtspeichenhinterrad „an Land ziehen“ und diese mit meinem Entwurf vergleichen (Für diejenigen die mit der GS750 nur eine Suzuki verbinden können: die Yamaha GS750 war der Vorgänger der XS750 und wurde meines Wissens nur in Japan verkauft. Die GS750 hatte Drahtspeichenräder). Die Nabe war natürlich anders konstruiert und mit dem Gerücht, das dieses Hinterrad in die XS1100 passt konnte ich auch sofort aufräumen. Es passt nämlich nicht!!! Ergo war mein Weg einer Eigenkostruktion der Einzige, die XS1100 auf Speichenräder zu stellen (außer man hätte mehr Glück als im Lotto und könnte eine WIWO-Nabe erstehen). Nach einem Telefonat mit der Firma, die die Nabe herstellen sollte, musste ich die Konstruktion nochmal überarbeiten, da der von mir vorgesehene Außendurchmesser der Nabe größer war, als das Halbzeug, das die Firma vorrätig hatte. Auch der von mir gewählte Werkstoff, hochfestes Aluminium war in Ordnung, da die Firma selbst Speichennaben nach eigener Konstruktion herstellt und dort das gleiche Material verwendet. Mitte Februar 2014 fuhr ich dann mit der im Maßstab 1:1 ausgedruckten Zeichnung zu der Firma in die Rhön und habe mit dem Inhaber meine Konstruktion besprochen. Das Ergebnis war positiv und bis auf eine kleine Erhöhung in der Wandstärke an der Kardanglocke war aus seiner Sicht alles in Ordnung.

Mittlerweile hatte ich die passenden Radlager besorgt und die innere und rechte Distanzbuchse gezeichnet und aus Werkzeugstahl drehen lassen. Die Ruckdämpfer hatte ich bereits im Vorjahr besorgt. Als Ruckdämpfer fanden Silentbuchsen Verwendung, die in China-Rollern als elastische Motorlagerung dienen. Passende Normteile konnte ich in den diversen Katalogen dafür leider nicht finden und diese entsprachen von den Maßen eigentlich genau den Original-Ruckdämpfern in der XS-Nabe. Das linke Nadellager ersetzte ich durch ein Normlager um eventuellen Lieferschwierigkeiten von vorneherein aus dem Weg zu gehen, die Traglast dieses Lagers ist sogar höher als die des Originallagers. Das rechte Radlager wurde durch ein 2-reihiges Kugellager mit gleicher Tragzahl ersetzt, das bei gleichem Innendurchmesser einen kleineren Außendurchmesser hat. Somit hatte ich im Lagerbereich eine höhere Wandstärke, die mir sonst bei Verwendung des Originallagers etwas zu dünn vorgekommen wäre. Die beiden Distanzbuchsen lies ich über einen Freund galvanisch beschichten, also vernickeln bzw. verchromen.

Im Februar 2014 hatte ich endlich das Angebot zur Fertigung der Radnabe, der Preis lag etwas höher als erwartet aber im Rahmen. Eine Nachfrage im XS1100-Forum nach weiteren Interessenten blieb ohne Erfolg. Ob das am Preis lag (das wurde in der Regel genannt) oder an der Befürchtung lag, dass das Projekt doch nicht realisierbar war möchte ich hier nicht beurteilen. Also machte ich als Einzelkämpfer weiter! Aber erstmal organisierte ich ein Motorradtreffen der XJ-IG bei mir im Ort. Bevor ich aber nach dem Treff mich wieder dem Projekt Speichenrad widmen konnte wurde ich kurz vor der Auftragsvergabe aber schwer krank und Alles andere musste erstmal warten, bis ich wieder ganz genesen war. Erst 3 Monate später ging es mir wieder soweit gut um mich um die liegengebliebene Auftragsvergabe zu kümmern.

Bevor der Auftrag aber erteilt werden konnte, mussten noch ein paar Kleinigkeiten abgesprochen und an der Nabenkonstruktion angepasst werden bis dann Ende 2014 der Auftrag erteilt werden konnte. Die Herstellung der Nabe hat sich dann aber auch 3 Monate hingezogen weil die Fräsmaschine der Firma schlappgemacht hatte und erstmal repariert werden musste. Ende März hat mir dann der Firmenchef die ersten Bilder der fertigen Nabe zugeschickt und Anfang April 2015 konnte ich die Nabe endlich in meinen Händen halten! Wunschgemäß war die Nabe poliert worden und sie sah toll aus!

Bild
Hinterrad-Speichennabe mit eingepressten Ruckdämpfern

Im nächsten Schritt mussten die Ruckdämpfer und die Radlager eingepresst werden. Dabei durfte ich nicht vergessen die innere Distanzbuchse einzusetzen! Zuerst wunderte ich mich über das für mein Empfinden riesige Pressmaß der Silentbuchsen/Ruckdämpfer. Der Außendurchmesser der Buchsen war 5 Zentel mm größer als die Bohrung. Ein Anruf bei der Firma klärte das aber, dass musste so sein! Also habe ich mir von einem Kollegen Pressdorne für die Silentbuchsen und die Radlader anfertigen lassen und dann die Buchsen und die Lager mit einer 50to-Hydraulikpresse selber eingepresst (und die Distanzbuchse wurde nicht vergessen!). Beim Einsetzen der Simmerringe musste ich leider feststellen, dass der Dreher einen Fehler gemacht hatte und die Passung des Simmerrings 2 mm zu groß gedreht hat. Zum Glück gibt es einen Simmerring mit dem richtigen Innenduchmesser und Breite der den passenden Außendurchmesser hat. Beim Einsetzen des Kardanseitigen Simmerrings durfte man aber nicht vergessen die linke Distanzbuchse (die war übrigens die einzige, die Original bleiben konnte) einzusetzen. Zum Schluss wurde der Kardanmitnehmer montiert und die Nabe war fertig! Jetzt kam der erste alles entscheidende Test: Ich montierte die Nabe mit montierter Bremsscheibe in eine XS1100-Schwinge inkl. Der Bremsankerplatte – es passte alles und die Nabe lies sich frei drehen!!!! Damit war der Weg zum Einspeichen der Naben frei.

Bild
Testmontage Hinterrad-Speichennabe

Zwischendurch habe ich mich mit Gerhard vom Triples-Forum ausgetauscht, der zeitgleich seine XS850 auf Speichenräder gestellt hat. Er hatte von meinem Projekt gelesen und wir waren sofort in intensiven Kontakt getreten. Er schlug mir vor, die Vorderradnabe, die aus einer SR500 stammte, chromfarben Pulverbeschichten zu lassen, weil er damit hervorragende Erfahrung gemacht hatte. Der Vorschlag kam mir gerade recht, da ich gerade echt nicht wusste, welche Oberflächenbehandlung ich der Vorderradnabe angedeihen lassen sollte. Die Bilder von Gerhard haben mich überzeugt und er bot mir auch an, die Naben an seinen Beschichter weiterzuleiten, der seine eigenen Naben gemacht hatte. Also ging ein Päckchen auf die Reise und 2 Wochen später hatte ich die beschichtete Nabe in einem tollen Finish wieder bei mir. Dann tauschte ich noch alle Radlager und Simmerringe der Vorderradnabe und auch diese war nun fertig zum Einspeichen.

Ende Mai habe ich alle Teile eingepackt und bin zu einem Fachbetrieb in der Nähe von Stuttgart gefahren, der mir die Naben einspeichen und das Tragfähigkeitsgutachten erstellen sollte. Das Gepräch mit dem Inhaber lief aber leider nicht so positiv, wie ich mir das vorgestellt hatte. Bei meiner Konstruktion hatte ich nur 36 Speichen am Hinterrad vorgesehenen, damit bekäme er, wie er mich mitteilte, die erforderlichen Traglasten nicht hin um auf das zulässige Gesamtgewicht von 480 kg der XS1100 zu kommen. Dieses Problem wäre aber durch eine Verringerung des zul. Gesamtgewichts kompensierbar. Außerdem waren die Bohrungen für die Speichen von mir etwas zu eng bemaßt. Die Speichen würden zwar passen, aber zur Montage der Speichen bräuchte man mehr Spiel, sonst würde man diese nicht einfädeln können. Also packte ich alle Teile wieder ein und bin gefrustet wieder heimgefahren.

Am Abend schrieb ich mir meinen Frust im XS1100-Forum von der Seele und bekam von allen die mein Projekt verfolgten aufmunternde Worte zu lesen! Ich wollte auch nicht aufgeben und telefonierte am nächsten Tag mit dem Nabenhersteller. Dem schilderte ich mein Problem und er versicherte mir, dass ein Aufweiten der Speichenbohrungen kein großes Problem darstellt und er es mir für relativ kleines Geld machen könnte. Also passte ich meine Konstruktionszeichnung an und brachte die Hinterradnabe persönlich in die Rhön. Dann ging ich zum TÜV und besprach das Thema mit den nicht ganz ausreichenden Traglasten der Speichenräder. Der Prüfer sah da kein Problem, aber eventuell müsste er die XS zum Einsitzer degradieren, wenn die Traglasten zu gering ausfallen würden.

Als die Nabe wieder da war, packte ich nach meinem Sommerurlaub alles in einen Karton und schickte diese zum Einspeichen. Das zog sich dann leider etwas hin, da die Firma erst einen andere Auftrag abarbeiten musste. Im November 2015 kam dann ein großes Paket bei mir an und endlich hatte ich die kompletten Speichenräder. Ein Blick in die Tragfähigkeitsgutachten hob meine Laune noch mehr, mit den dort bestätigten Traglasten konnte ich, wenn alles gut ging in jedem Fall eine Umwandlung in einen Einsitzer vermeiden und vielleicht sogar das zulässige Gesamtgewicht unverändert lassen. Wieder baute ich das nun fertige Hinterrad in eine XS-Schwinge ein und wieder passte alles. Auch meine letzte Sorge, das die Bremszange den Speichen zu nahe kommen würde hat sich in Luft aufgelöst. Zwischen Zange und Speichen war 2 cm Platz! Ich war schon sehr stolz darauf, dass meine Konstruktion so gut passte! Also hatte ich alles richtig gemacht (bis auf die Speichenanzahl).

Bild
Speichenradsatz fertig eingespeicht

Bild
Testmontiertes Speichen-Hinterrad


Natürlich musste jetzt Gummi auf die Räder. Nach einigem Überlegen entschied ich mich für die neuen Michelin Pilot Activ und lies diese beim Reifenhändler aufziehen. Im März 2016 war es dann endlich soweit, die Räder wurden in meine XS1100 eingebaut und es schaut klasse aus! Als wären nie Gußfelgen an der XS dran gewesen! Genau so hatte ich es mir immer vorgestellt!

Bild
Speichenradsatz montiert an der XS1100

Bild
Detail Speichen-Hinterrad

Anfang April machte ich dann einen Termin zur TÜV-Abnahme aus und gab dem Prüfer schon mal vorab Kopien der Tragfähigkeitsgutachten. Der Prüfer rief mich noch am Abend an und sprach mit mir die Details durch. Er sah aufgrund der Gutachten keine Probleme, die Räder einzutragen. 3 Tage später stand ich pünktlich mit meiner XS1100 auf dem Hof des Prüfcenters und der Prüfer kontrollierte nochmal alles. Am Ende zeigte der Daumen nach oben und er trug die Räder ohne weitere Abstriche in die Papiere ein. Das zulässige Gesamtgewicht beließ er so wie es war – kein Ablasten! Sehr erleichtert, fro und stolz wie Bolle fuhr ich vom Hof und lies die technische Änderung bei der Zulassungsstelle in die Fahrzeugpapiere eintragen – geschafft!!!!

Als Fazit halte ich folgendes fest:
Das Projekt hat mir viel Arbeit, Stress und einige „Blutstürze“ beschert und hätte ich gewusst, was da auf mich zukommt, hätte ich es vielleicht nicht gemacht! Aber jetzt besitze ich ein absolutes Unikat und ich bin im Nachhinein froh, es gemacht zu haben. Denn wenn nicht jetzt, wann dann und lebe Deine Träume!

PS: Ich habe mich übrigens dazu entschlossen, meine Zeichnungen nicht aus der Hand zu geben und ich werde auch keine Serie auflegen und mehrere Naben fertigen lassen!
Schöne Grüße aus dem Taubertal

Jürgen
The Spirit
Beiträge: 713
Registriert: Fr 12. Dez 2014, 19:40

Re: Speichenradprojekt Yamaha XS1100 (2H9)

Beitrag von The Spirit »

Respekt Herr Ingenieur.

Nur der Auspuff könnte etwas eleganter sein,da solltest du noch beigehen.

Gruß
The Spirit
JRMaier
Beiträge: 13
Registriert: Di 1. Dez 2015, 09:36
Wohnort: Tauberbischofsheim

Re: Speichenradprojekt Yamaha XS1100 (2H9)

Beitrag von JRMaier »

YES! (Du Finger-In-Die-Offene-Wunde-Leger!) ;)

PS: In der Überlegung ist der Kauf einer Edelstahl-Nachbauanlage.............

PSS: Auch Deine Anregung bezüglich eines kleineren Rücklichts ist noch in Arbeit! 8-)
Schöne Grüße aus dem Taubertal

Jürgen
The Spirit
Beiträge: 713
Registriert: Fr 12. Dez 2014, 19:40

Re: Speichenradprojekt Yamaha XS1100 (2H9)

Beitrag von The Spirit »

Du brauchst ein Schlachtobjekt wie die hier im Thema "XS 1100 Gran Turismo" auf Seite 3 in blau.
Da ist alles dran.
Gruß
The Spirit
Antworten

Zurück zu „Yamaha“